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Berliner Abendblätter 27. Dezember, Nr. 74 Seite 291 bis 294

Berliner Abendblätter.
74tes Blatt. Den 27ten December 1810.


Miszellen.

Wenn ein Waizenkorn jährlich 50 Körner giebt, so beträgt die Ernte im zweiten Jahre 2500; im dritten 125,000; im sechsten 15,625,000,000; und im zwölften Jahre 244,140, 625, 000, 000 Körner. Nun hält ein Malter ungefähr 20,478,240 Körner; also macht die 12jährige Ernte von einem Waizenkorn 11,921,953,497,910 Malter aus. Nach dieser Rechnung könnte ein Waizenkorn, nach drei Jahren, mehr als 520 Personen auf eine Mahlzeit speisen, wobei dennoch so viele Kleyen abfielen, daß davon 8 Schweine einen Tag gefüttert werden könnten. (Corr. f. Deutschl.)


Bei Gelegenheit der Jubelfeier in der Waisenhauskirche.

Die Jubelfeier des ehrwürdigen und gelehrten vierundachtzigjährigen Predigers Schmidt *) nach glücklicher und thätiger Amtsführung,während eines halben Jahrhunderts, wurde am vorletzten Sonntage von dem, im vorigen Jahre ausgebrannten, durch milde Beiträge wieder auferbauten Thurme der Waisenhauskirche, durch den ersten Klang der neugegossenen Glocken verkündet. Die Versammlung war zahlreicher, als die kleine Kirche fassen konnte, man denke sich, wie viele Bürger einen nahen Beruf zu dieser Feier fühlten, da über dreitausend Kinder aus dieser Anstalt unter der christlichen Belehrung und Segnung des Jubelgreises zu allen Arten beürgerlicher Nahrung übergegangen sind. – Die Singakademie verherrlichte diese andächtige Stunde durch wohl gewählte Chöre; wir hatten sie oft in ihrem Saale und im Opernsaale bewundert, doch ungeachtet der Stim-


*) Dieser große Literatus, der insbesondere eine der herrlichsten Sammlungen von Kirchengesängen besitzt, übte vor einigen Jahren den nachahmungswerthen Patriotismus, der königlichen Bibliothek alle Bücher seiner Bibliothek, die ihr fehlten, zu schenken.

(292) ... mendämpfung in der kleinen Kirche voll Menschengedränge, fühlten wir nie so lebhaft das Herrliche dieses Instituts, und die Möglichkeit, durch dasselbe den verschollenen Kirchengesang wieder zu beleben. Wir wünschen, daß es den Mitgliedern dieser freien musikalischen Verbindung gefallen möchte, statt den in dem beschränkten Saale der Akademie immer nur wenigen zugänglichen öffentlichen Singeabenden, eine der Hauptkirchen unserer Stadt zu wählen, um als Einleitung und in Verbindung mit dem großen Vormittagsgottesdienste, ihrer Kunst den würdigsten Zweck und allen ihren Glaubensgenossen wenigstens alle vierzehn Tage eine Stunde der Erhebung zu gewähren: ja wir möchten diesen Vorschlag, der uns wie eine Eingebung dieses Festes vor der Seele geblieben, dem würdigen Vorsteher dieser Anstalt recht ernstlich zur Prüfung empfehlen. Wie herrlich könnten wir leben, weenn unsere Zeit, während sie fast zu arm wird, neue Kirchen zu bauen, und die älteren zu schmücken, das Kunstgeschick der Menschen hinlänglich entwickelte, um durch ihr unmittelbares Zusammenwirken die Erbauung der Seele zu schaffen.

H P Ribbeck, indem er auf den zwiefachen Gegenstand der Jubelfeier, auf die Erhaltung der Kirche und Ihres Predigers aufmerksam machte, gedachte mit Rührung jener Armuth unserer Tage, die auf Erbauung zerstörter Gotteshäuser nur wenig zu wenden erlaubt; er erwähnte, wie eine der Hauptkirchen unsrer Stadt wahrscheinlich noch lange, vielleicht für immer untergegangen sey. Eine Bemerkung drängte sich uns hierbei auf. Ungeachtet wir den Wiederaufbau dieser verbrannten Petrikirche wünschen, und den Bau einer großen Kirche als Denkmahl und Begräbnißort der unvergeßlichen Königin rühmen würden, so nothwendig scheint es uns, alles für den öfffentlichen Gottesdienst zu Errichtende, aus dem freien Willen des Volkes hervorgehen zu lassen; die heiligsten Kirchen sind das werk wilder Stiftungen und freiwilliger Beiträge, und die St. Peterskirche in Rom hat mit aller ihrer Herrlichkeit der Kirche nie vergütet, was durch die dazu eingerichtete, der Gesinnung der Zeit widerwärtige Ablaßkrämerei in der allgemeinsten Schwankung und Trennung der christlichen Kirche für Schaden gestiftet worden. Dagegen wie erhebend und wie ange-

(293) ... nehm bezüglich auf diese kleine, fast ländliche Waisenhauskirche ist die Erzählung des Myrenius von dem baufälligen Kirchlein des Augustinerklosters zu Wittenberg, wo Luther seine ersten Predigten zur Abschaffung der Kirchenmißbräuche gehalten. Wir können uns nicht enthalten, sie bei dieser Veranlassung ausführlich mitzutheilen.

„In Wittenberg war das Augustinerkloster neu angefangen zu bauen, die Fundamenta der Kirche waren angelegt, aber nur der Erde gleich gebracht. Mitten in denselben Fundamentis stand ein alt Kapellen, von Holz gebauet und mit Laimen beklaibt. Das war sehr baufällig, wae gestützet auf allen Seiten. Ws war bei 30 Schuhe lang und zwanzig breit, hat ein klein als rostig Chor, darauf ein 20 Menschen mit Noth stehen konnten. An der Wand gegen Mittag war ein Predigtstuhl von alten Bretern, die ungehobelt, ein Predigtstühligen, anderthalb Ellen hoch von der Erden. In Summa: Es hatte allenthalben das Ansehen, wie die Mahler den Stall mahlen zu Bethlehem, darin Christus geboren war. In dieser armen, elenden, jämmerlichen Kapelle hat Gott zu diesen letzten Zeiten sein liebes heiliges Evangelium, und das liebe Kindlein Jesus lassen neugeboren werden. Es war kein Münster=Stift noch großes Gotteshaus auf Erden, deren viele tausend waren, das Gott hiezu erwählt hatte, sondern dies arme unansehnliche Kapellchen. Aus diesem ist das heilige Grab, welches ist die heilige Schrift, durch Herzog Friedrichen, wieder genommen werden, oder wie die alte Prophezeiung lautet: Und da er einen Schild an den Baum hängt, ist er wieder grün worden. Anno 1518. In dieser Kirche predigte Doktor Luther gegen den Ablaß und über die Freiheit der Predigt, und ward in Kurzem diese Kirche zu enge und ward Doktor Martini befohlen, in der Pfarre zu Wittenberg zu predigen.“ L.A.v.A.

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Stiftung einer fortlaufenden jährlichen Feier zum Gedächtniß der verewigten Königin von Preußen.
Einer so eben im Druck erschienenen, von Sr. Majestät dem Könige selbst genehmigten, erhebenden ...

(294) ... Ankündigung eines in der Residenz Potsdam zu errichtenden Denkmals, zum Andenken Ihro Maj. der verewigten Königin, durch den Hofprediger Hrn. Eylert, von dem früher in diesen Blättern schon die Rede war, zufolge, will derselbe auf Subscription eine Sammlung der in den Monaten April, Mai und Juni d.J. in Gegenwart beider Majestäten und des Königlichen Hofes in der Hofkirche gehaltenen religiösen Vorträge herausgegeben; und dem Ertrag als Kapital zu einem ganz im Geiste der Verewigten angeordneten Zweck, zur jährlichen Ausstattung einer tugendhaften aber unbemittelten Braut, in der Art verwenden, daß ihr am Tage der Verheirathung die jährlichen Interessen dieses Kapitals als eine freundliche bedeutungsvolle Ausstattung gereicht werden sollen. Es ist hier noch zu bemerken, daß die Hochselige an eben dem Tage, wo sie mit Begeisterung und Fülle von Liebe und häuslichen Glückes sprach, überzeugt, daß in diesem der Grund und Anfang jeder wahren Verbesserung liege, und daß nur aus tugendhaften Ehen eine gute und adle Generation hervorgehen könne, in dem Augenblick, als sie den schönen Wunsch äußerte, in dieser wichtigen Beziehung wirksam und der Nation nützlich werden zu können, den Hofprediger Eylert aufforderte, jene Predigten drucken zu lassen, mit der huldvollen Erlaubniß, sie ihr zu dedicieren.

Welche erhabene, sinnvolle Beziehung in diesem Denkmaal liegt, dessen Grundstein der biedere Mann nun legt, und zu dessen Ausführung er Allen einen Zutritt eröffnet, welchen das Andenken ihrer Königin theuer ist, also der ganzen Nation, dies bedarf weder besonders ausgeführt, noch durch schöne Worte gepriesen zu werden. Es genügt, um alles auszusprechen, daß Se. M. der König, in der erbetenen Genehmigung dieser Stiftung, Selbst solche ein würdiges Denkmaal nennt und ergänzen will, was fehlt; weshalb am Schluß des Subscriptionstermins Ihm das Namens = und Beitrags=Verzeichniß eingereicht werden soll.
Wer wird nicht eilen, an einem solchen Denkmaal Antheil zu nehmen! W.