Die Geschichte der Mendelssohns

Diese Website bietet Ihnen Informationen über den jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn und seine Nachkommen, über deren Familiengeschichte in Berlin. Wie der philosophische Stammvater dieser großen bürgerlichen Dynastie und seine Komponistenenkel Fanny Hensel und Felix Mendelssohn Bartholdy haben weitere Mendelssohns als Künstler, Bankiers und Gelehrte die deutsche Wirtschafts- und Kulturgeschichte geprägt.

Die Mendelssohns haben in „ihrer“ Epoche, zwischen 1762 und 1933, ein kulturelles Vermächtnis geschaffen, das geprägt wurde von pragmatischem Idealismus und dem Bewusstsein gesellschaftlicher Verpflichtung. Als Brückenbauer zwischen Tradition und Fortschritt haben sie über fünf Generationen das Selbstverständnis und die Assimilation deutscher Juden beeinflusst, ebenso aber die Wandlungen der christlichen Mehrheits-Gesellschaft in Berlin, Preußen, Deutschland: durch ihre Beiträge als Schriftsteller, Intellektuelle, Wissenschaftler, Musiker, Maler, Bankiers und Unternehmer.

Der „Jude von Berlin“

Mit dem Aufbruch des 14-jährigen Talmudschülers Moses von Dessau nach Berlin begann 1743 die Epoche des deutsch-jüdischen Kulturtransfers. Moses Mendelssohn, wie er sich im preußischen Staat nennt, bahnt durch Übersetzungen seinen Glaubensgenossen den Eintritt ins Reich deutscher Bildungsschätze, den Weg zu Emanzipation und Assimilation. Er, ein Gastarbeiter aus Sachsen-Anhalt, und seine Frau Fromet aus Altona, haben in Berlin den Status weitgehend rechtloser Migranten. Sie gehören, wie Juden und Nichtjuden ihre Community bis ins späte 19. Jahrhundert hinein bezeichnen, zur „jüdischen Nation“. Ihre Kinder erwerben dann jedoch auch die Staatsbürgerschaft in Preußen, verhalten sich als deutsche Patrioten – und die meisten lassen sich taufen. Im Jahr 1880 stirbt mit Marianne Mendelssohn, der Witwe des Bankiers Alexander Mendelssohn (3. Generation), die vorerst letzte Jüdin der Familie.

Aus dem Stolz der getauften Nachkommen auf ihren Stammvater und die jüdische Geschichte der Familie, als Reaktion auf antisemitimische Anfeindungen des späten 19. und des 20. Jahrhunderts und schließlich unter dem Druck nationalsozialistischer Verfolgung entwickeln viele Familienmitglieder eine neue, persönliche Beziehung zum Judentum ihrer Vorfahren. Im 20. Jahrhundert kehren in Deutschland, in Israel und in den USA Mendelssohn-Nachkommen zum Judentum zurück. Von rund 4000 Nachkommen Moses Mendelssohns, deren Namen mittlerweile bekannt sind, leben heute mehr als 750 Personen weltweit, davon mehr als 600 außerhalb von Deutschland. Aus der jüdischen, der preußischen, der deutschen Familie Mendelssohn, wie die Familienmitglieder sich selbst über Generationen gesehen haben, ist eine zu vielen verschiedenen Bekenntnissen gehörende, internationale Familie mit jüdischen und preußischen Wurzeln in Deutschland geworden.

Die zweite Generation

Die zweite Generation der Mendelssohns hatte sich in den Jahrzehnten revolutionärer Epochenbrüche für den jeweils eigenen aufgeklärten oder romantischen Weg entschieden: dazu gehören die Bankgründer Joseph (1770 – 1848) und sein Bruder Abraham (1776 – 1835), der sich mit der eigenen Abkehr von der Firma des Bruders auch von der Synagoge trennt. Dazu gehört die Skandal-Tochter Brendel / Dorothea (1764 – 1839), die nach der Scheidung von ihrem jüdischen Mann zunächst für ihren zweiten, Friedrich Schlegel (1772 – 1829), die evangelische, und danach mit diesem gemeinsam die katholische Konfession annimmt.

Die dritte Generation

Mendelssohns der dritten Generation sind als Juden oder Christen in anerkannten Positionen angekommen, dabei geht ihr politische Spektrum weit auseinander. Die bereits 1816 getauften vier Kinder des Abraham, der mit seinem Übertritt 1822 den Namenszusatz Bartholdy angenommen hatte, verstehen sich selbst als loyale preußische Untertanen, zur evangelischen Staatsreligion gehörig. Rebecka Dirichlet, geb. Mendelssohn Bartholdy (1811 – 1858), setzt sich während der 1848er-Revolution jedoch aktiv für die Demokraten ein; ihr Cousin Arnold Mendelssohn (1817 – 1854) gehört sogar zum Lager der extremen Linken und stirbt nach seiner Haftentlassung in der orientalischen Verbannung. Monarchistisch bis reaktionär entwickelt sich die politische Haltung des Malers Philipp Veit (1793 – 1877). Pluralistisch in ihren Überzeugungen bietet die dritte Generation ein Spiegelbild der Gesellschaft, mit der sie sich identifiziert.

Die vierte Generation

Die vierte Generation in der Epoche des „Historismus“ ist geprägt durch den Blick auf die großen Ahnen: Sebastian (1830 – 1898), der Sohn Fanny und Wilhelm Hensels, propagiert – vor dem Hintergrund eines salonfähig werdenden Antisemitismus – in seinem Erfolgsbuch „Die Familie Mendelssohn“ das Bild einer idealen deutschen Bildungsbürgerfamilie jüdischen Ursprungs. Mit der Reichsgründung und dem Gründerzeitboom expandiert auch die größte Berliner Privatbank Mendelssohn & Co. Die Mendelssohns nehmen als Förderer sozialer und kultureller Stiftungen und als Mäzene ihre Verantwortung wahr. 1888, 1896 und 1907 werden drei Mendelssohn-Bankiers nobilitiert. An der Industrialisierungsgeschichte der Gründerzeit ist Paul Mendelssohn Bartholdy (1841 – 1880), ein Sohn des Komponisten Felix, als Mitbegründer der AGFA beteiligt.

Im „Dritten Reich“

Franz von Mendelssohn II (1865 – 1935) erwirbt Anerkennung als Bankchef, patriotischer Monarchist und schließlich loyaler Republikaner – ein eindrucksvoller Wirtschaftsführer. Albrecht Mendelssohn Bartholdy (1874 – 1936), ein Enkel von Felix, will durch sein mit Hilfe der Warburg-Bank in Hamburg realisiertes „Institut für auswärtige Politik“ den demokratisch ungelernten Deutschen die unbekannten Dimensionen der Staatengemeinschaft und des internationalen Rechts nahebringen. Er stirbt im Exil in Oxford, ein Jahr nach den beiden Berliner Bankchefs, Franz von Mendelssohn II und Paul von Mendelssohn-Bartholdy (1875 – 1935). Wie viele ihrer Verwandten emigrieren im „Dritten Reich“ auch Eleonora (1900 – 1951) und Francesco von Mendelssohn (1901 – 1972), sie Schauspielerin, er Cellist. Das Geschwisterpaar der sechsten Generation hatte die roaring twenties wild und glamourös erlebt, verliert aber, aus steinreichem Bankiershause stammend, in den USA auf tragische Weise den letzten Halt. 1938 wird Mendelssohn & Co. auf Drängen der Nationalsozialisten durch die Deutsche Bank liquidiert. Während des Krieges wählen zwei Mitglieder der Mendelssohn-Familie, Elisabeth Westphal (1865 – 1942) und Marie-Louise Hensel (1894 – 1942), kurz vor der Deportation bzw. in Gestapo-Haft, den Freitod. Manche ihrer Verwandten tauchen unter, werden ihres Vermögens beraubt, legen den „jüdischen“ Namen ab. Andere fallen als Angehörige der Wehrmacht.

Die Familienmitglieder

In der Mendelssohn-Gesellschaft begegnen Sie mit den Mendelssohns der deutsch-jüdischen Geschichte! Einige der genannten Familienmitglieder werden auf dieser Website detaillierter portraitiert.

Weitere Biografien folgen in den nächsten Monaten.