Wiederherstellung von Wandgemälden aus der Warschauer-Villa am Knie

Drei verschollen geglaubte Wandgemälde aus einer Charlottenburger Bankiersvilla sind von der Mendelssohn-Gesellschaft entdeckt und auf ihr Betreiben mit öffentlichen Mitteln, Spendengeldern und Finanzen einer Familienstiftung konserviert worden. Der Historienmaler Rudolf Henneberg hatte die Gemälde um 1872 für den Billardsaal des Bankiers Robert Warschauer in dessen 1869 von Martin Gropius und Heino Schmieden an der Berliner Straße (heute: Ernst Reuter-Platz) errichteter Villa geschaffen.

Zwei patriotisch-mittelalterliche Szenen, eine Heimkehr-Szene verwundeter Kavallerie und ein Brautzug zu deren Empfang spiegeln die Stimmung nach dem Sieg über Frankreich, unter Einbeziehung verwandtschaftlicher Ähnlichkeiten bei den dargestellten Figuren - so jedenfalls die Überlieferung innerhalb der Warschauer-Familie. Das dritte, kleinere Gemälde gehörte ebenfalls zur Ausschmückung des Billardzimmers, zeigt aber eine musizierende Puttengruppe - eigentlich die typische Deko für einen Musiksalon.

Die Königsberger Kaufleute Warschauer und ihre ebenfalls von der Stadt am Pregel stammenden Kompagnons und Verwandten Oppenheim hatten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Berlin mit Zweigen der Mendelssohn-Familie geschäftlich und familiär verbunden. Auf den Bildern des Malers Henneberg, der Besuchern der Alten Nationalgalerie durch seine große Allegorie „Die Jagd nach dem Glück“ bekannt ist, finden sich nicht nur im Brautzug Physiognomien von Warschauer- und Oppenheim-Töchtern, sondern wohl auch unter den Kriegern Ähnlichkeiten mit jenen Oppenheims, Mendelssohn Bartholdys und deren Schwägern, die am Feldzug gegen Frankreich teilgenommen hatten. Ein alter Mann auf Krücken am Bildrand soll, so die Familientradition, den Ahnherrn Moses Mendelssohn darstellen, am Hals der nebenstehenden Frau baumelt ein goldenes Kreuz.

Noch vor der Bombardierung der Villa Warschauer während des Zweiten Weltkriegs waren diese Leinwände zeitweise in privaten Kellern aufbewahrt worden, wo sie sich hielten, aber doch, zum Teil durch Kriegseinwirkung, dramatische Beschädigungen erlitten. Die Mendelssohn-Gesellschaft, der diese Zeugnisse deutsch-jüdischer Assimilationsgeschichte von Warschauer-Erben als Schenkung übereignet wurden, suchte nun nach Möglichkeiten, den Verfall der Bilder zu stoppen und sie in ihrer ideologischen Widersprüchlichkeit der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Hennebergs Szenarien führen vor, wie die Nachkommen des berühmtesten "Juden von Berlin" ihre eigene Integration und Genealogie in den Kontext christlich-germanischer Gesellschafts-Visionen hineinphantasieren. Vor dem Hintergrund einer Burganlage weht auf dem Brautzug-Bild die Flagge des deutschen Kaiserreiches.

Der "Allegorische Brautzug" wurde von Ende 2012 bis April 2013 im Rahmen der Ausstellung des Centrum Judaicum "Moses Mendelssohn - Freunde, Feinde, Familie" an der Oranienburger Straße präsentiert. Seit Dezember 2014 sind alle drei Bilder als Leihgaben der Mendelssohn-Gesellschaft auf Dauer in der Ausstellung "Westen!" in der Charlottenburger Villa Oppenheim zu sehen.